Was Ekel über uns verrät

Alles zur Betreutes Fühlen-Folge

Verschimmeltes Brot, eitrige Wunden, dreckige Toiletten – da kommt sofort Ekel auf, ein lästiges Gefühl. Aber: Es kann für uns überlebenswichtig sein. In dieser Folge klären wir außerdem, was Ekel mit Magie und Todesangst zu tun hat. Und warum Händewaschen vor Fremdenfeindlichkeit schützt.



Was ist Ekel?


Ekel definieren wir in der Psychologie als eine starke Abneigung, zum Beispiel gegen den Geschmack, den Geruch oder die Berührung von etwas, das als abstoßend empfunden wird [1].

Dieses unangenehme Gefühl hat aber eine wichtige Funktion: Es schützt und vor Infektionen, ist Teil unseres »Verhaltensimmunsystems«. Deshalb wird uns auch übel, manchmal bis zum Erbrechen, wenn wir uns ekeln. Gefährliche Keime werden wir so schnell wieder los [2].


Magischer Ekel

Ekel ist sehr tief in uns verankert. Sogar Dinge, die nur kurz mit etwas Ekligem in Kontakt waren, sind für uns langfristig kontaminiert. Studien konnten zum Beispiel zeigen, dass fast niemand Orangensaft trinken würde, der fünf Sekunden mit einer sterilisierten Kakerlake in Kontakt war - obwohl das komplett ungefährlich wäre. Warum ist das so? Die Verbindung zwischen Orangensaft und Kakerlake scheint auch nach dem Kontakt in unserem Kopf weiter zu bestehen. Diese irrationale Annahme bezeichnen Wissenschaftler:innen auch als »sympathetische Magie« [3].


Was Ekel mit Todesangst zu tun hat

Eine andere spannende Erklärung für Ekel haben Forschende um Jamie Goldenberg aus den USA untersucht. Sie stellten zum Einen fest, dass unser Ekel zunimmt, wenn wir mit dem eigenen Tod konfrontiert werden. Desweiteren, dass wir uns von Tieren abgrenzen und als einzigartig sehen wollen, wenn wir daran denken, dass wir eines Tages sterben müssen. Die Theorie der Psycholog:innen: Indem wir uns ekeln, verdrängen wir unsere animalische, sterbliche Natur [4].


Kann man sich auch vor unmoralischem Verhalten ekeln?

Studien haben gezeigt: Ekel und Moral hängen eng zusammen. Sie beeinflussen sich quasi gegenseitig. Werden wir angeekelt - zum Beispiel durch eine Stinkbombe - fällen wir härtere moralische Urteile [5].
Nachdem wir von unmoralischem Verhalten erfahren, schmeckt ein Getränk für uns ekliger [6].


Exkurs: Machen Keime fremdenfeindlich?

Fremdenfeindliche Ideologien benutzen oft Infektionsanalogien - Migrant:innen werden von Rechten zum Beispiel als »Parasiten« oder »Schmarotzer« bezeichnet. Kann man so Rassismus schüren? Die Wissenschaft zeigt: Ja, leider. Denn wer sich tendenziell mehr ekelt, ist auch fremdenfeindlicher [7]. Gegen Fremdenhass scheint deshalb auch Händewaschen zu helfen [8]. Das strukturelle Rassismus-Problem werden wir damit aber wohl nicht lösen.


Redaktion: Mia Mertens, B.Sc.-Psychologin

Produktion: Murmel Productions


QUELLEN

[1]  American Psychological Association. (n.d.). disgust. In APA Dictionary of Psychology. Retrieved May 11, 2023, from https://dictionary.apa.org/disgust

[2] Barrett, L. F., Haviland-Jones, J. M., & Lewis, M. (Eds.). (2016). Handbook of Emotions. Guilford Publications.

[3] Rozin, P., & Nemeroff, C. J. (1986). Operation of the Laws of Sympathetic Magic in Disgust and Other Domains. Journal of Personality and Social Psychology. 

[4] Goldenberg, J.,Psyzczynski, T., Greenberg, J., Solomon, S., Kluck, B., & Cornwell, R. (2001). I Am Not an Animal: Mortality Salience, Disgust, and the Denial of Human Creatureliness. Journal of Experimental Psychology, 130.

[5] Haidt, J., McCauley, C., & Rozin, P. (1994). Individual differences in sensitivity to disgust: A scale sampling seven domains of disgust elicitors. Personality and Individual Differences, 16(5), 701-713.

[6] Eskine, K., Kacinik, N., & Webster, G. (2012). The Bitter Truth about Morality: Virtue, Not Vice, Makes a Bland Beverage Taste Nice. PLoS One, 7(7).

[7] Clifford, S., Erisen, C., Wendell, D., & Cantú, F. (2023). Disgust sensitivity and support for immigration across five nations. Politics and the Life Sciences, 42(1).

[8] Huang, J., Sedlovskaya2, A., Ackerman, J., & Bargh, J. (2011). Immunizing Against Prejudice: Effects of Disease Protection on Attitudes Toward Out-Groups. Psychological Science, 22(12).


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